Schon aus dem Flugzeug sehen wir den monumentalen Vulkan mit seiner markanten weissen Rauchfahne. Immer wieder beobachten wir am Krater des Ätna Aktivitäten, denen bedrohliche dunkle Rauchwolken folgen. Eine sizilianische Passagierin bemerkt unsere Aufregung und lacht beruhigend: «Das ist ganz normal, das macht er immer. Er hustet nur.» Tatsächlich sehen wir diese schwarzen Rauchwolken auch nach der Landung in Catania immer wieder während unseres Aufenthalts und sind trotz der Beschwichtigung etwas beunruhigt. Selten ist man einem aktiven Vulkan so nahe. Die Anrainer des Ätna nehmen das vulkanische Geschehen hingegen tiefenentspannt zur Kenntnis oder ignorieren es schlichtweg. Dimitri Lisciandrello, Gutsleiter des Weinguts Tascante, erwähnt aber doch, dass der Gipfelbereich des Ätna für Besucher wegen erhöhter Aktivität gesperrt ist.
Lebt und arbeitet mit dem Vulkan:
Winzer Dimitri Lisciandrello.
Ein Strukturwein par excellence: Zitrusnoten, Pfirsich, weisser Pfeffer. Im Gaumen feingliedrig und straff mit vibrierendem Körper. Tolles Lagerpotenzial.
Gemeinsam fahren wir die Hänge des Vulkans hoch, auf dem es sogar einen Skilift gibt. Lisciandrello hält bei einem erkalteten Lavastrom und balanciert mit uns auf dem schroffen Gestein. «Hier kann man erst in etwa 600 Jahren wieder Wein anbauen», erklärt der Leiter der Tenuta Tascante, die der Familie Tasca d’Almerita gehört. «Die Menschen hier leben mit dem Vulkan. Er beeinflusst alles.» So erklärt sich auch die Einteilung der landwirtschaftlichen Fläche in sogenannte Contrade, die von den Lavaströmen begrenzt sind. Die Grands Crus des Ätna tragen daher Namen wie Contrada Sciaranuova, bei denen der Begriff Weingarten eine völlig neue Bedeutung bekommt. Mit kunstvoll angelegten Trockensteinmauern sind die Reben terrassenförmig angeordnet und erinnern mit parallelen und kreisförmigen Strukturen an einen royalen Park mit einem historischen Steinturm im Zentrum.
Erinnern an einen royalen Park: die kunstvoll angelegten Rebterrassen.
Klare Aromen von Blutorange und süssen Gewürzen. Im Gaumen elegant und sanft, ausgezeichnete Balance von Süsse, Säure und Tannin. Grandios bis zum Schluss.
Verführerisches Waldbeerbouquet, dazu kandierte Orangen und florale Noten. Im Gaumen saftig und präzise. Gute Länge, grossartige Eleganz. Nur 5000 Flaschen!
Die Nerello-Mascalese-Reben für den Etna-doc-Wein Contrada Sciaranuova V.V. wurden im Jahr 1961 gepflanzt und transportieren viel vom vulkanisch-mineralischen Terroir, strahlen aber gleichzeitig die Ruhe und Eleganz von jahrzehntealten Rebstöcken aus.
Straffer und köperreicher ist der Contrada Pianodario, ebenfalls reinsortig aus den spät reifenden Nerello-Mascalese-Trauben gekeltert, die fast ausschliesslich auf dem Ätna angebaut werden. Der Wein reift zwölf Monate in slawonischer Eiche, zeigt eine straffe Tanninstruktur, gut balancierte Säure und wirkt im Gaumen saftig und ausgewogen. Dimitri Lisciandrello hebt bei der Verkostung noch eine Besonderheit von aktiven Vulkanen hervor: Vulkanasche hat nicht nur über Jahrhunderte die Erde angereichert, auch die Trauben kommen regelmässig in Kontakt mit ihr. Denn der Ätna spuckt tagein, tagaus Aschewolken, die sich auf seine Hänge verteilen.
Alberto Tasca, Inhaber des gleichnamigen Familienweinguts mit mehreren Standorten auf Sizilien, hat vor rund einer Dekade die Tenuta Tascante gegründet. Es ist ein Wortspiel aus dem Familiennamen und dem italienischen Namen des Vulkans, Etna, rückwärts gelesen. Den Vergleich mit den Grands Crus Frankreichs scheut er nicht und zeigt sich überzeugt: «Der Ätna hat alle Zutaten, um hochkarätige Herkunftsweine zu bieten.» Nicht nur Tasca ist vom Terroir und dem kühlen Klima des 3350 Meter hohen Vulkans mit seinen Rebschätzen wie Nerello Mascalese und Carricante angetan. Grosse Namen wie Angelo Gaja, Planeta oder Donnafugata haben dort ebenfalls eigenständige Betriebe errichtet. Kenner sprechen aber nicht nur von der vorteilhaften Bodenbeschaffenheit von Vulkanen, sie sind überzeugt, dass vulkanische Weine mit einer besonderen Energie aufgeladen sind.
Weinbau mit Meerblick: die Insel Salina.
Eine der Liparischen Inseln trägt sogar den Namen Vulcano und besteht hauptsächlich aus einem aktiven Vulkan mit knapp 500 Metern Seehöhe. Carlo Hauner hat hier einen Weingarten mit den autochthonen Rebsorten Calabrese, Alicante und Nocera ausgepflanzt und keltert daraus einen ganz besonderen Wein, den Hierà, was gleichbedeutend mit dem antiken Namen für die Insel Vulcano ist. Über die Geschichte der Familie Hauner könnte man einen Roman schreiben. Der aus Norditalien stammende Carlo Hauner senior feierte als Designer Welterfolge und verliebte sich in den 1960er Jahren in die Liparische Insel Salina, wo er sich ein neues Leben als Maler und Winzer aufbaute. Er belebte den fast vergessenen Malvasia delle Lipari wieder und machte ihn zu einer der gefragtesten Süssweine Italiens. Der 1996 verstorbene Künstler vermachte seinem Sohn Carlo junior nicht nur die Weinberge, sondern auch die Leidenschaft für Weinbau. Erfolgreich setzt dieser den Weg seines Vaters fort.
Süsswein ist seine Leidenschaft:
Carlo Hauner junior.
Im Gespräch schwärmt Carlo Hauner junior von den einzigartigen Voraussetzungen auf der Insel: «Der Boden unserer Inseln, insbesondere der Insel Vulcano, der dem des Ätna ähnelt, ist jung und sehr reich an Mineralien. Der Weinberg erreicht eine Höhe von 400 Metern und schafft damit ganz besondere mikroklimatische Bedingungen, die einerseits auf die starke Sonneneinstrahlung und andererseits auf die grossen Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht zurückzuführen sind.» Hauner erzählt stolz, dass er der Erste war, der nach historischen Versuchen im 19. Jahrhundert wieder Weinbau auf der Vulkaninsel betrieben hat.
Die Voraussetzungen sind dabei sehr ähnlich wie auf dem Ätna, auch wenn die Seehöhe deutlich geringer ist. Er verweist auf eine spannende Besonderheit, die es nur auf aktiven Vulkanen gibt: «Der regelmässige Austritt von natürlichem Schwefel lässt keine Erkrankungen der Reben zu. Es sind keinerlei Pestizidbehandlungen der Pflanzen notwendig.» Dafür muss sich Hauner mit seinem Team anderen Herausforderungen stellen: Der Transport von der kleinen Vulkaninsel zum Weingut auf der Insel Salina erfolgt mit einem Boot in der Nacht, damit die geernteten Trauben nicht zu warm werden. Das Ergebnis ist ein einzigartiger Wein, der wie die Kreszenzen vom Ätna durch charaktervolle Mineralik besticht und dabei aber auch noch besondere Harmonie und Kraft ausstrahlt – die Energie des Vulkans.
Ein wahres Feuerwerk von Fruchtnoten, abgerundet durch einen Hauch von Vanille. Im Gaumen rund, geschmeidig und dicht. Exzellent zu frischem Thunfisch.
Was für ein Bouquet! Honig, Nüsse, Aprikosenkonfitüre. Die Trauben für diesen bernsteinfarbenen Göttertrank werden auf Strohmatten getrocknet, der Wein reift in kleinen Holzfässern.
Validate your login