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Parmaschinken ist in Italien ein kulinarisches Heiligtum. Die besten Prosciutti reifen gut und gerne zwei Jahre. Wir durften einen Blick hinter die aufwendige Produktion der edlen Schinken werfen. Zu Besuch beim Qualitätshaus Cavazutti in Langhirano.
Maestro Salatore. Salzmeister. Nur schondiese Berufsbezeichnung lässt erahnen, dass in Parma ein Prosciutto nicht bloss ein Schinken ist. Überhaupt, gutes Essen ist im sogenannten Speckgürtel von Italien eine grosse Sache. Und ein brummender Wirtschaftsmotor. Parmigiano Reggiano, Aceto balsamico, Grana Padano und, eben, Prosciutto di Parma: Die Emilia-Romagna ist das Schlaraffenland Italiens und die Hauptstrasse von Langhirano, 25 Kilometer ausserhalb von Parma gelegen, sozusagen die Schinkenstrasse.

«Prosciutto di Parma wird aus genau drei Zutaten hergestellt: Schweinefleisch, Meersalz und Zeit.» 31 Jahre arbeitet Stefano Coruzzi, Capo des Schinkenproduzenten Cavazutti, schon im Betrieb. Doch wenn man ihn so reden hört, gibt es wohl auch noch eine vierte Zutat, und die heisst Leidenschaft. Coruzzi, blaues Häubchen, weisser Schutzmantel und die Schuhe in Plastiksocken gesteckt, grinst. «Es stimmt schon: Die Parmaschinkenherstellung ist der Handwerkskunst sehr verbunden geblieben. Die Technologie hat im Laufe der Zeit ihren Teil dazu beigetragen, aber das Wichtigste wird immer noch von Menschenhand gemacht.» Nur der Mensch sieht das Produkt, berührt es, riecht es – und bestimmt, wie es zu bearbeiten ist. «Nehmen wir das Beispiel Salami. Wenn du hundert Würste produzierst, die Rezeptur – Rohstoff, Salz, Gewürze – ist bei jedem Stück identisch, es gibt also keinen Unterschied zwischen dem einen und dem anderen Salame. Nicht so beim Schinken. Jede Keule ist einzigartig, weil sie von einem einzigartigen Tier stammt.»
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Bis zu 2 Jahre reifen die Schinken bei kontrollierter Luftfeuchtigkeit.

Königsdisziplin: richtig salzen

Parmaschinken trägt das begehrte dop-Label. Die Krone des Konsortiums bürgt für Echtheit und Qualität: keine Konservierungsstoffe, keine Nitrite und Nitrate, keine Farbstoffe. Und jeder Schritt, vom Schwein bis zum Schinken, von der Schweinerasse (Duroc, Landrace, Large White) über Aufzucht und Fütterung (Getreide und Molke), ist per Gesetz definiert und anhand von Tätowierungen, Siegeln und Brandzeichen rückverfolgbar. Zu Beginn werden die frischen Keulen – sie wiegen etwa 15 Kilogramm – in die richtige Form geschnitten. Das ist wichtig, weil nicht alle Teile gleich viel Salz aufnehmen. Und um Salz geht es beim Parmaschinken. «Weniger ist mehr. Wir wollen nur so viel Salz, wie für das Konservieren notwendig.» «Dolce» nennt man diese Qualität, mild und zart. Wobei es hier schon auch regionale Unterschiede gebe. «In der Toskana etwa, wo man Brot ohne Salz isst, mögen sie herzhafte, salzige Salumi. Anders in Norditalien, in Venetien, der Lombardei, in Milano. Da muss der Schinken süss sein.» Zu süss, findet Stefano Coruzzi, denn wenn der Prosicutto zu süss sei, schmecke er schnell nach Schwein. Königsklasse für ihn ist – was sonst? – sein Prosciutto aus Parma. «Wir mögen ihn ‹dolce›, aromatisch und duftend.»
Und hier kommt der Maestro Salatore ins Spiel, der Salzmeister. Er reibt die Schwarte mit feuchtem und die Muskelteile mit trockenem Meersalz ein. Nach einer einwöchigen Ruhephase in der Kühle werden die Keulen ein zweites Mal gesalzen – und ruhen weitere 20 Tage. Danach trocknen die Schinken 65 bis 70 Tage bei einer kontrollierten Luftfeuchtigkeit von 75 Prozent. «Das Fleisch wird dabei zunächst dunkler, nimmt jedoch in den letzten Tagen der Lufttrocknung wieder seine ursprüngliche rosarote Farbe an.» Danach werden die Keulen mit warmem Wasser gewaschen, um Salzreste und Mikroorganismen zu entfernen – und reifen danach gut belüftet weiter. «Nach etwa drei Monaten ist die schwartenfreie Oberfläche des Prosciutto, die ‹corona›, fest und trocken.» Damit der Schinken nicht zu sehr austrocknet, wird er nun von Hand mit Schmalz eingerieben, «sugna». «Jedes Prosciutto-Haus hat seine eigene Rezeptur, ein gut gehütetes Geheimnis.» Sugna ist streichfähig wie eine Creme und besteht aus Schmalz, Salz, Pfeffer, Gewürzen und Reismehl. «Je mehr Reismehl, desto luftdurchlässiger ist die Schicht, je weniger Mehl, desto weniger kann der Schinken atmen.» Diese Phase sei sehr wichtig, denn jetzt werde das Produkt verfeinert, erklärt Coruzzi. «Einerseits soll der Schinken trocknen, er soll aber nicht austrocknen. Um die richtige Balance zu finden, braucht’s viel Erfahrung.»

Ein Jahr Mindestreife

Die minimale Reifezeit für einen Parmaschinken beträgt ein Jahr. Nach zwölf Monaten hat die Keule bereits 25 bis 30 Prozent an Gewicht verloren. Bei Cavazutti reift der Prosciutto je nach Qualität auch doppelt so lange, 24 Monate. Damit während der langen Reifephase nichts schiefgeht, wird jeder Schinken einmal monatlich sensorisch geprüft. Das machen Stefano Coruzzi und seine Leute mit einem spitzen Pferdeknochen, den sie in den Schinken stecken: Der Geruch, der am Werkzeug hängen bleibt, bestätigt die Qualität. «Wir punktieren den Prosciutto an fünf verschiedenen Stellen, jede Position hat ihren eigenen Duft.» Geschmackliche Fehltöne erkennt Coruzzi nach drei Jahrzehnten Übung sofort. «Beim Schinken gibt es im Grunde drei Produkte: die Vorderseite, die Mitte, das Bein. Der untere, trockene Teil riecht herrlich nach Natur, nach Keller – mit einer dezenten Süsse. Die Mitte des Schinkens hat die perfekte Balance aus Fett und magerem Fleisch und ist dadurch sehr weich. Und das Salz, das konzentriert sich im fetten Teil.» Erst wenn auch die Inspektoren des Parmaschinken-Konsortiums den Prosciutto geprüft und für gut befunden haben, kriegt er das berühmte Brandzeichen mit der Krone.

Nach zwölf Monaten entscheidet sich auch, ob ein Schinken «jung» in den Verkauf geht oder weiterreifen darf. «Wir sehen uns die Keule genau an, wiegen sie und sortieren nach Kilo – denn das Gewicht ist entscheidend.» Je länger der Schinken reift, desto mehr Gewicht verliert er. «Eine kleine Keule würde zu trocken, wenn sie weitere zwölf Monate reift.» Das wäre eine Schande! Denn nicht nur Stefano Coruzzi will den Prosciutto «dolce» haben, mild und zart …

 
Der Maestro Salatore hat eine Schlüsselrolle in der Prosciutto-Herstellung.

Der Maestro Salatore hat eine Schlüsselrolle in der Prosciutto-Herstellung.

«Wir mögen unseren Schinken ‹dolce›, aromatisch und duftend. » - Stefano Coruzzi

«Wir mögen unseren Schinken ‹dolce›, aromatisch und duftend. » - Stefano Coruzzi

Köstliches Resultat nach einem langen Herstellungsprozess.

Köstliches Resultat nach einem langen Herstellungsprozess.

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