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Ein Gespräch über den Aufstieg des Weinguts Braida zur piemontesischen Legende, Humor und wie wichtig eine Prise Verrücktheit ist.

Raffaella Bologna, Sie sagen von sich selbst, dass Sie in Barbera verliebt sind …

Die Magie von Barbera habe ich als kleines Mädchen entdeckt. Meine Familie führte schon damals die Trattoria I Bologna. Ich war beeindruckt von der Kraft des Weins, seiner Fähigkeit, die Gäste glücklich zu machen. Als ich acht oder neun Jahre alt war, habe ich meinem Vater beim Öffnen einer Flasche Monella über die Schulter geschaut. Er hielt sein Ohr daran und erklärte mir, wie wichtig der Klang des Weins ist. Da hat es bei mir Klick gemacht.

Was hat das in Ihnen ausgelöst?

Ich bin meinem Vater als Kind auf Schritt und Tritt gefolgt. Er zeigte mir die Hügel, auf denen der Barbera noch heute wächst, wie die Reben erzogen wurden, die Vielseitigkeit der Lagen, die Wichtigkeit der Reifung. Ich habe plötzlich den Zusammenhang zwischen den Weinbergen und der Magie unseres Weins verstanden. Als ich das erste Mal Barbera kostete, war das für mich die Bestätigung, dass ich mit dem Weinbau beginnen werde. Ich war tief beeindruckt. Meine eigenen Träume sind mit den Träumen meiner Familie verschmolzen.

Ihr Vater hat den Barbera neu erfunden.

Barbera hat eine lange Geschichte im Piemont. Früher hat man diesen Wein hauptsächlich zu Hau­se getrunken. Die Leute in der Region betrachteten ihn eher als Lebensmittel denn als Wein zum Probieren, Entdecken und Geniessen. Sie glaubten nicht an seine Qualität.

Das ist nicht mehr so.

Der Erfolg von Marchese Mario Incisa della Rocchetta, dem Gründervater des Sassicaia, motivierte meinen Vater. Einem aus unserem kleinen piemon­tesischen Dorf war es gelungen, eine italienische Weinsensation in der Toskana auszulösen. Mein Vater dachte sich, warum kann ich nicht das Gleiche tun? Der Wendepunkt kam, als er in den 1970er Jahren mit einer Gruppe von Winzern nach Kalifornien fuhr, um piemontesischstämmige Weinbauern in Napa zu besuchen. Diese Leute kamen mit nichts, ausser ein paar Barbera-Weinstöcken in Amerika an. Er reiste ohne Erwartun­gen hin. Sie servierten ihm als Erstes Barbera. Er war schockiert: Im Piemont war Barbera zu dieser Zeit nicht «figo», cool. Un­denkbar, Gäste mit einem Glas davon zu empfangen. Er erfuhr dann, dass Barbera in den USA an der Universität erforscht wird, während sich in Italien niemand dafür interessierte.

Wie ging es weiter?

Mein Vater rief meine Mutter an und sagte ihr: «Entweder wir ändern alles oder wir hören auf.» Er kam heim und begann, mit Barriques zu experimentieren. Der Geschmack unseres Barberas veränderte sich dadurch, er wurde blumig, fruchtig und würzig zugleich. Mein Vater zeigte, dass Barbera nicht nur rustikal sein konnte. Diese Modernität war bis dahin gänzlich unbekannt und erstaunte.

Ihre Weine wurden zu Ikonen und faszinieren auch in unserer Zeit. Was ist Ihr Geheimnis?

Das ist eine schwierige Frage. Ich denke, es ist die Authentizität. Gastfreundschaft hat in unserer Familie einen hohen Stellenwert. Wir lieben es, unsere Begeisterung für guten Wein und gutes Essen zu teilen. Lebensfreude wurde zu unserem Markenzeichen. In einer Blindverkostung erkennen Sie Braida-Weine sofort.

«Als Mutter habe ich einen ausgeprägten Sinn für Nachhaltigkeit.»

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Raffaella Bologna Önologin, Marketing und Kommunikation

Jeder Wein von Braida erzählt eine ganz eigene Geschichte.

Das Dorfleben ist meine Quelle der Inspiration. In Rocchetta Tanaro leben 1200 Familien. Jede hat einen Spitznamen. Braida ist auch einer. Mein Grossvater spiel­te «pallone elastico», ein belieb­tes Ballspiel in unserer Region. Er wurde nach einem berühmten Spieler benannt: Braida. Unse­re Etiketten spielen mit ty­pi­schen Dialektausdrücken und Geschichten aus dem Ort. Das war von Anfang an Teil unseres Marketings. Wir mussten einfallsreich sein, um unseren Barbera verkaufen zu können. Moderner, farbiger und origineller.

Können Sie mir ein Beispiel dafür nennen?

Nehmen wir den Bricco dell’Uccellone. Er ist nach einer Dame mit einer markanten Vogelnase benannt. In der Gemeinde kan­nte man sie als «la uslun», den grossen Vogel. Als mein Vater ihren Rebberg abkaufte, benannte er den Lagenwein zu ihren Ehren: Hügel des grossen Vogels. Barbera schrieben wir anfänglich ganz klein aufs Etikett, um die Aufmerksamkeit auf den Namen zu lenken. Uccellone ist auch etwas doppeldeutig und soll auf die potenzsteigernde Wirkung von Barbera hinweisen. Die Einwohnerstatistik von Rocchetta Tanaro gibt uns recht (lacht).

Sie haben einen besonderen Sinn für Humor.

Das habe ich von meinem Umfeld. Meine Familie nimmt geschäftliche Angelegenheiten ernst, aber es gehört auch eine gesunde Portion Selbstironie dazu. 1969 hat mir mein Vater den Barbera La Monella gewidmet: die Unge­zogene. Im Geist bin ich ein klei­nes Mädchen geblieben, aufrührerisch und vergnügt. Das Leben besteht darin, sein Glück zu finden und Probleme zu lösen. Eine Prise Verrücktheit macht das Leben leichter.

Wie gelingt es Ihnen, Tradition und Innovation unter einen Hut zu bringen?

Ich finde, wir haben ein gutes Gleich­gewicht. Braida erfindet sich ständig neu, und wir sind immer auf dem aktuellsten Stand der Forschung. Das Klima ist im Wandel. Dem müssen wir Rechnung tragen. Heute sind wissenschaftliche Studien viel leichter zugänglich als noch in den 1970er und 1980er Jahren, das kommt uns zugute. Und wir schätzen uns glücklich, dass wir im Piemont, einem Zentrum der Weinwirtschaft, sind.

Inwiefern?

Wir haben alle wichtigen Partner in nächster Nähe: die Rebschule, die Küferei Gamba und die Brennerei Berta. Das hilft uns, zu experimentieren und nachhaltig zu arbeiten. Mit Gamba haben wir etwa einen Eichenwald gepflanzt, um damit in hundert Jahren Weinfässer bauen zu können. Und Berta verwertet sämtliche Traubentrester von uns, daraus brennen sie Grappa.

Ihre Verbindung zur Heimat zeigt sich in Ihren Nachhaltigkeitsprojekten.

Als Mutter habe ich einen ausgeprägten Sinn für Nachhaltigkeit. Wir müssen falsche Entscheidungen vermeiden und an die zukünftigen Generationen denken. Dieser Gedanke zieht sich wie ein roter Faden durch alles, was wir tun. Braida trägt das SQNPI-Label für integrierte Produktion und eine nachhaltige Wertschöpfungskette. Diese Bemühungen bauen wir im Kleinen und im Grossen aus. Das heisst beispielsweise, dass wir gebrauchten Flaschen als Ker­zenhalter ein zweites Leben schenken. Aber auch, dass wir durch Solarpanels die Energie für die kühle Gärung unseres Mos­cato d’Asti und unseres Brachetto d’Acqui selbst produzieren.

Brachetto d’Acqui und Moscato d’Asti sind eine Spezialität von Braida.

Ich habe schöne Kindheitserinnerungen an diese Weine. Sie haben von Natur aus einen niedrigen Alkoholgehalt. Als ich aufwuchs, war es mir verboten Barbera oder Grignolino zu probieren. Moscato und Brachetto waren aber erlaubt. Ich bin stolz, diese Weine zu produzieren. Sie schmecken so, als würde man Beeren direkt vom Strauch naschen.
   

Raffaella Bolognas Wurzeln liegen im Dorf Rocchetta Tanaro, an der Weinstrasse von Monferrato, Asti. Dort führt sie zusammen mit Bruder Giuseppe, Ehemann Norbert und Neffe Giacomo jun. das Weingut Braida. Die Bolognas schauen auf mehr als 60 Weinjahrgänge zurück und bewirtschaften heute 60 Hektar Rebland. Seit 2018 gehört das Braida Wine Resort mit sieben Zimmern zum Betrieb. Die Önologin ist im Familienunternehmen für Marketing und Kommunikation zuständig. Sie ist Mutter eines Sohnes.