Pizzaioli auf der ganzen Welt schwören auf das Mehl der Familie Caputo, die seit vier Generationen aus Weizen weisses Gold macht. Visite in der alten Mühle in San Giovanni a Teduccio, am Hafen von Neapel.
Über Röhren gelangt der Weizen eine Etage weiter runter: In den Walzenstühlen rieselt das Getreide über grosse Rollen und wird sorgfältig zerquetscht. Beim ersten Durchgang entsteht grober Weizenschrot, der Mal für Mal feiner und zum Schluss zu pudrigem Mehlstaub wird. «Wir mahlen langsam, mit so wenig Druck wie möglich und mit Walzen aus Gusseisen, damit die Proteinstruktur nicht zerstört wird und die Mehle kalt bleiben. Bei Steinmühlen entsteht durch die Reibung mehr Hitze», erklärt Mauro. Er ist technischer Direktor der Firma und hat unter anderem in der Schweiz studiert. Seine Mühlen sind von Bühler, Uzwil. Unzählige Rohre an der Decke befördern den gemahlenen Weizen wieder unters Dach zu den tanzenden Maschinen, wo von Neuem gesiebt wird. Und noch mal. Und noch mal. Und noch mal. «Wir arbeiten nach dem Prinzip des «abburrattamento», ein Verfahren, bei dem das gemahlene Getreide schrittweise gesiebt wird, um Mehl unterschiedlicher Feinheit zu erhalten.» Das sind dann auch mal locker 35 Durchgänge.
Süsse Symphonie
Caputo: Jeder Pizzaiolo, der etwas auf sich hält, jede Pizzaiola, jeder Foodie kennt die bunten Mehlpackungen mit dem schnurrbärtigen Retrobäcker drauf. In vier Generationen hat es die Familie von einer kleinen Mühle zu einer internationalen Referenz in Sachen Mehl gebracht. Ihren Sitz hat sie noch immer in der historischen Fabrik in San Giovanni a Teduccio, einem traditionellen Arbeiterviertel am Hafen von Neapel. Heute wird in über 50 Länder exportiert, doch begonnen hatte 1924 alles ganz klein, erzählt Antimo Caputo, Geschäftsführer und Cousin von Mauro. Er sitzt mit rosa Hemd und Hornbrille in seinem Büro. «Wir sind das Gegenteil von Einwanderern. Mein Urgrossvater Carmine lebte in New Jersey und kam in den 1920er Jahren zurück in sein Dorf. Mein Grossvater Antimo kaufte später diese Mühle hier am Hafen.» Nebst Mehl produzierte die Familie damals auch Pasta – bis in den 1960er Jahren die ganz Grossen in den Markt traten. «Meinem Nonno wurde das Business neben Barilla und Co. schlicht zu gross.» Caputo tüftelt seither am perfekten Mehl.
Keine Zusatzstoffe
«Das perfekte Mehl gibt es nicht», sagt Mauro Caputo später im Labor. Als technischer Direktor ist er quasi auch Cheftüftler der Familie. Und da Caputo komplett auf Zusatzstoffe und Stabilisatoren verzichtet, muss Mauro die verschiedenen Weizensorten je nach Ernte und Saison wieder von Grund auf neu analysieren und die Rezepturen anpassen. Das Getreide kommt aus Italien und weiteren Ländern Europas und seit acht Jahren auch vom eigenen Caputo-Feld in Campobasso, Molise, 2000 Hektar. Je nach Herkunft und Klima, Bodenbeschaffenheit und Erntezeitpunkt hat der Weizen eine andere Charakteristik. Zudem: Glutenstruktur, Proteingehalt und Stärke sind je nach Sorte verschieden. «Darum mischen wir manchmal bis zu sieben, acht Sorten – damit wir die Schwankungen von Mutter Natur ausgleichen können», sagt Mauro.
In Mauros Reich stehen kuriose Maschinen. Die eine dehnt einen Teigstrang in die Länge und testet damit die Elastizität, eine andere Maschine bläst den Teig auf wie einen Ballon. «Wir ermitteln damit die Backstärke. Je grösser die Teigblase, bis sie platzt, desto höher die Teigstabilität. Und diese weist auf einen hohen Glutengehalt hin.» Kleiner Exkurs: Weizenmehl besteht aus Protein und Stärke, und eines dieser Proteine ist Gluten. Das sogenannte Klebereiweiss sorgt – lässt man ihm die nötige Ruhezeit – für einen elastischen Teig, der im Ofen wunderbar aufgeht. «Hast du nur wenig Zeit, nimmst du ein Mehl mit tiefem Glutengehalt, beispielsweise unser Classica Blu Tipo 00. Willst du aber eine echte Pizza Napoletana mit langer Teigführung backen, sagen wir 48 Stunden, dann brauchst du ein Mehl mit mittlerem bis hohem Glutengehalt,
etwa unser Tipo-00-Pizzamehl in der roten Packung. Tutto chiaro?» Mauro lacht. Und weil die angesagtesten Pizzaioli Neapels (und nicht nur dort) ihre Napoletana momentan mit extra hohem, luftigem Teigrand backen, hat Caputo ein Spezialmehl entwickelt: Nuvola – fluffig wie eine Wolke.
Pizza, ein kulinarisches Heiligtum
bei über 400 Grad.
Das ist wohl auch das Geheimnis von Caputo, die enge Verbindung zu den besten Pizzaioli der Welt. «Glaub mir, ich habe in meinem Leben eine Menge Pizza gegessen! » Antimo lacht. Es gebe im Grunde drei Pizza-Hotspots: New York, São Paulo und Napoli. Die erste Pizzeria in den USA wurde von einem gewissen Totonno Lombardi gegründet. «Klingt irgendwie nach einem neapolitanischen Geschlecht, nicht?» Viele Leute denken beim Stichwort Caputo an gutes Marketing, doch sie seien das exakte Gegenteil davon, sagt Antimo. Caputo sei nicht besser als andere. Aber man produziere mit und für die grossen Chefs, als Team. «Wir sind keine Lieferanten der Pizzawelt, wir sind Teil der Pizzawelt.»
MULINO CAPUTO
Die Pizza Napoletana im Più – mittlerweile gibt es vier Ristoranti in Zürich, Bern und Zug – wird mit Caputo-Mehl gemacht. Auch das neu eröffnete Ristorante Zafferano in Zürich arbeitet mit Caputo-Mehl.
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