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Corona hat die Welt durchgeschüttelt, insbesondere auch Italien. Sie haben in der Toskana ein Weingut. Wie waren die letzten Monate für Sie?

Wir konnten nicht nach Italien reisen. Alles war blockiert – mit Ausnahme von Nahrungsmittelbeschaffung, Gesundheitsdienstleistungen und
Landwirtschaft. In dem Sinne konnten wir unsere Rebberge weiterpflegen. Auf der kommerziellen Seite, im Weinhandel, stand alles still. Italien
hatte wirklich einen Lockdown in extremis.

Inwiefern betrifft Covid-19 das Weingeschäft?

Es gibt grosse Einbrüche in den gehandelten Volumen, und es wird kaum möglich sein, dies im Laufe des Jahres noch zu kompensieren. Die aufgestauten Mengen, insbesondere bekannte Markenartikel, werden im freien Markt, vor allem auch bei uns in der Schweiz, landen. Das heisst, der Preisdruck wird noch stärker werden.

Dann ist es aus der Perspektive als Winzer gut, dass Sie in den letzten Jahren weiter in die Qualität und einen neuen Keller investiert haben?

Wenn Sie im Markt dabeibleiben wollen, dann reicht gut arbeiten nicht mehr. Die Anforderungen an die Professionalität sind heute sehr hoch, praktisch in allen Branchen. Dies hat auch damit zu tun, dass die Märkte gesättigt sind. Das spornt an. Unsere Rebberge sind sehr neuzeitlich und nach den aktuellsten Erkenntnissen angelegt und gepflegt. Schön, fast wie Gärten. Dazu eine topmoderne Infrastruktur. Diese beiden Faktoren sind der Garant für Topqualität in der Flasche.

Den neuen Keller konnten Sie für die Ernte 2018 in Betrieb nehmen. Der Rest ist – mit vielen Verzögerungen – noch immer im Bau. Wie verträgt sich die italienische Zeitrechnung mit der Schweizer Pünktlichkeit?

Man muss lernen, noch geduldiger zu sein. Die vereinbarten Termine auf dem Bau sind sehr schwierig einzuhalten, wir sind ja nicht ständig vor Ort. Es gab aber auch Verzögerungen, die wir selbst verschuldet haben, etwa weil unsere Ideen geändert hatten.

Die Leute Wann wird das Werk fertig?

Wir hoffen, noch dieses Jahr, Ende 2020. Danach folgt die Feinausstattung, so dass wir im Frühling 2021 Gäste empfangen können. Je tiefer etwas ins
Detail geht, desto mehr müssen wir uns selber darum kümmern.

Was erwartet die Besucher?

Landschaftlich finden sie sicher etwas vom Schönsten weit und breit. Für diese Gegend können wir nichts, die war schon da (lacht). Wir nennen Vallocaia darum auch unser kleines Paradies. Neben einer Top-Infrastruktur haben wir auch eine starke Präsenz der Kunst. Christopher Lehmpfuhl hat die Malerei extra für unsere Tenuta geschaffen und war in den letzten Jahren sicher zehn-, zwanzigmal zu Besuch.

Kunst: warum überhaupt?

Weil wir überzeugt sind, dass sich die Schönheit eines Raums auf die Leute im Raum und auf ihr Tun auswirkt. Kunst ist eine stille Energie: Man sollte sie gar nicht wahrnehmen, aber vermissen, wenn sie nicht da wäre. Unaufdringlich, unprätentiös.

Ein Rohdiamant sei Vallocaia gewesen, als Sie die Tenuta 1983 gekauft hatten …

Ja, die Toskana … Diese Gegend hat mich schon immer fasziniert. Von klein auf bin ich an der Seite meines Vaters dorthin gereist, insbesondere zur Beziehungspflege mit der Winzerfamilie Antinori. 1971 studierte ich zudem für ein Gastsemester in Perugia. Ich dachte: Es wäre schön, hier mal anzukommen, anzuwachsen. 1983, also gut zehn Jahre später, ist dies dann gelungen. Wir haben einfach mal angefangen: knapp drei Hektar Reben, ein verfallenes Bauernhaus … Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben.

Heute sind es 140 Hektar Land!

In fast 40 Jahren konnten wir immer wieder arrondieren. Heute sind wir auf einer stattlichen Fläche von 55 Hektar Reben. Unsere Idee: Das Gut soll
von innen nach aussen wachsen. Wie ein Nussbaum, der jedes Jahr einen Ring dazulegt. Vor 20 Jahren haben wir mit Gutsdirektor Giovanni Capuano den idealen Partner für die Inwertsetzung von Vallocaia gefunden – dank seines Bezugs zur Gegend, zur Bodenbearbeitung und natürlich zum Wein.

Warum wird man eigentlich Winzer?

Wir sind – mit meinem Sohn Rudi jr. – Weinbauern in dritter Generation, schon mein Vater hatte Weingüter in der Westschweiz. Die Bodenbearbeitung ist für mich noch immer die edelste Tätigkeit. Ironischerweise ist sie im Moment eine der am schlechtesten honorierten
Arbeiten. Aber ich bin überzeugt: Es findet ein Gesinnungswandel statt – gerade auch mit der Corona-Krise, die uns verschiedene Werte neu einschätzen lässt. Man wird gesundheitsbewusster, ökologischer, sparsamer, lokaler. Man will wissen: Woher kommt das, wie wird es gemacht, wie
war der Transportweg? Ich bin überzeugt, dass sich die Jungen in ein, zwei Generationen wieder für die Landwirtschaft begeistern können.

Was fasziniert Sie am Beruf?

Pflanzen, pflegen, sehen, wie etwas wächst und gedeiht, die ganzen Naturgesetze, die Zyklen, Jahreszeiten … Wenn man diese Gesetzmässigkeiten verstanden hat, wären sie der ideale Lehrmeister für alle Fragen, die sich im Alltag stellen. Und die Landwirtschaft lehrt uns vor allem eines: den Respekt vor der Handarbeit. Und Geduld.

Ihre Philosophie auf Vallocaia?

Wir orientieren uns an den örtlichen Traditionen. Und versuchen, die Natur so wenig wie möglich zu stören und vom Boden nicht mehr abzuverlangen, als er von sich aus hergeben würde. Den Einsatz chemischer Mittel beschränken wir auf das absolute Minimum. Wir arbeiten in dem Sinne sehr ökologisch, hängen es jedoch nicht an die grosse Glocke. Weil wir der Meinung sind, dass Nachhaltigkeit eigentlich selbstverständlich sein sollte.

Ihre «Hausspezialität» ist der Vino Nobile di Montepulciano. Warum diese Liebe zum Sangiovese?

In der Toskana ist die Sangiovese-Traube traditionell fest verankert. Ergänzend arbeiten wir aber auch mit internationalen Sorten, die auf der ganzen Welt gedeihen. Merlot, Cabernet Sauvignon – jeder mag diese Weine. Sangiovese hat einen kleineren Liebhaberkreis, aber ein sehr grosses Potenzial, wenn man an der richtigen Lage die richtigen Klone verwendet. Ich persönlich finde es schön, wenn man lokale und internationale Trauben nebeneinander pflegt, sie teilweise sogar verbindet – wie es Piero Antinori mit seinem Tignanello sehr erfolgreich gemacht hat.

Gioia, Gemella, I Quadri … Was hat es mit den Weinnamen auf sich?

Vallocaia, so heisst unser Topwein, ist so im Grundbuch eingetragen, ebenso I Quadri. Beim weissen Gemella, italienisch für Zwilling, hatten wir von
Beginn weg die Idee zu einem zweiten Wein; es kam ein Rosé hinzu. Die Merlot-Trauben für unseren Antenata – der Name bedeutet so viel wie Ahnen,
Vorfahren – wachsen auf demselben Terroir, wo schon die Etrusker vor 3000, 4000 Jahren Wein angepflanzt hatten. Und Gioia ist meiner Tochter
gewidmet. Sie ist im Sternzeichen des Skorpions geboren, darum auch das goldene Tierchen auf dem Etikett.

Welcher Bindella-Wein liegt Ihnen besonders am Herzen?

Jener Wein, der unseren Familiennamen trägt natürlich. Ein Vino Nobile, jeden ansprechend,  in einer guten Mitte, zu einem vernünftigen Preis. Tatsächlich ist der 2016er der beste Jahrgang, den wir je produziert haben! Unser Bindella beweist das Potenzial dieser Gegend – wenn man die richtigen Trauben verwendet und gute Arbeit leistet.

Wozu trinken Sie ihn?

Ich persönlich würde zu praktisch jedem Wein Teigwaren essen (lacht). Pasta, Kalb, Rind. Oder was ich auch sehr mag: Brot, Käse, Wein. Für mich eines der archaischsten Essen. Je einfacher die Speisen, desto mehr kommt der Wein in seiner Vielfalt zum Tragen.
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