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Die Trüffelsuche im Piemont ist selbst für Eingeweihte ein sagenumwobener Nervenkitzel. Wir haben uns an die Fersen von Giovanni Monchiero geheftet, weil der Rektor der Trüffelhunde-Universität bereits seit 50 Jahren durch die Wälder streift. Avanti, avanti, auf zur Vorlese.

Typisch, der Treffpunkt. Neblig. Feucht. Und kalt ist es. Mit Giovanni Monchiero alias Gianni sind wir ausdrücklich auf dem Parkplatz, vor der Bar Pit Stop, nicht in der Bar Pit Stop, verabredet. Drinnen Thocken nämlich andere Trüffelsucher beim Caffè. Leicht erkennbar an ihren Hosenbeinen, den Ziga rettenfingern samt Erdnägeln und am verschlagenen Blick. Auf dem Parkplatz abgefahrene Fiat Pandas, – ein untrügliches Zeichen für die Anwesenheit von Trüffelsuchenden. Sie scheuen das Tageslicht. Pardon, das Rampenlicht. Aber es stimmt: Manche der Erfolgreichen trüffeln in der Nacht, aus Angst vor Betriebsspionage. Ja. Eifersucht, weil Geld im Spiel. Und ja, die Suche ist vornehmlich Männersache. So gibt es lustige Trüffelsucher, listige Trüffelsucher, verbissene Trüffelsucher, kriminelle Trüffelsucher. Es gibt Trüffelsucher, die prahlen, Trüffelsucher, die schweigen, Trüffelsucher, die gar nicht suchen, und es gibt Trüffelsucher, die Menschen mitnehmen in die von Sagen umwobenen Wälder, wo der weisse Alba-Trüffel, der Trüffel der Mächtigen, der Tuber magnatum pico, wächst. Vittorio Pico, so hiess der Turiner Arzt, der dem Echten Schlauchpilz 1788 seinen Namen verlieh. Genug geschwafelt – jetzt wird gebuddelt!
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Untrügliches Zeichen für die Anwesenheit von Trüffelsuchern: alter Fiat.

Für Giovanni Monchiero ist das Trüffeln seit 50 Jahren ein Hobby, «una passione», wie er sagt, und kein Geschäft. Klar verdient ein lizensierter Trüffelsuchender (die Lizenz kostet 250 Euro pro Jahr) mit seinem Hobby pro Saison bis zu 10 000 Euro, aber viel wichtiger als Geld sei es doch, in der Natur zu sein, die Hunde zu trainieren, frische Luft zu schnuppern, und so ist er stolz, die vierte Generation der Familie zu verkörpern, die das tut. Und mehr als das! Er ist der vierte Rektor der 1880 von Antonio Monchiero in Roddi gegründeten Università dei Cani da Tartufo. Wobei … man würde nicht denken, dass seine zwei sogenannten Trüffelhunde jene Universität absolviert hätten. Verspielt sind sie, die kleine Vicky (Zwergpinscher) und die zügige Lady (Vierfruchtmix). Darum lässt er sie rennen und spielen, und sie rennen und spielen. Wie von Taranteln gestochen. Seriös sieht anders aus. Der Trüffeltheorie zugewandt, erzählt Gianni, dass 2019 ein sehr gutes Trüffeljahr gewesen sei, denn Trüffel bräuchten Wasser, da sie zu 80 Prozent aus Wasser bestünden. Wasser, das im Juli in Form von Regen herniederkommen sollte. Wasser, Wärme, Kälte sowie das geeignete Substrat sind die Grundvoraussetzungen für gute Trüffeln. Pappeln, Eichen, Haselnusssträucher, so sieht’s aus.
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Trüffelhund Vicky

«Der Lagotto Romagnolo ist eine Trüffelhunderasse, aber Trüffel findest du mit jedem Hund, der Spass an diesem Spiel hat», so Gianni, während die beiden Racker noch immer herumflitzen. Trüffelhunde auszubilden, sei eine Trainingssache, aber dieses Training bringe eben nichts, wenn die Tiere keine Lust darauf hätten, und dies merke er bereits im Welpenstadium. An gewissen Tagen streift er bis zu sieben Stunden durch die Wälder, «man braucht Geduld», sagt er. Oft finde man gar nichts, auch wenn man genau wisse, wo die Trüffel
prosperieren. Sie wachsen immer an denselben Stellen, und diese sind gerne gut gehütet. Also los jetzt. «Guardate un po’bene», sagt er, und er wiederholt den Singsang fortwährend. Das Spiel geht weiter, aber konzentrierter.
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Mit der Hacke werden die edlen Pilze sorgfältig ausgebuddelt.

Lange dauert es nicht, und schon scharrt Vicky mit ihren Pfötchen. Nur ein klein wenig, dann hört sie auf und setzt sich wedelnd hin. Ein schwarzer Sommertrüffel. «Den Scorzone findet man relativ oft», sagt er. Insgesamt gäbe es hier 64 Sorten, 24 davon seien essbar, aber nur vier seien gut. Den weissen Trüffel etwa, den dürfe man erst ab dem 21. September ernten. «Trüffelsuchen hat viel mit Respekt zu tun. Man betritt auch private Haselnusswälder, allerdings nicht während der Haselnussernte, und niemals darf man etwas beschädigen», sagt er. Deswegen gräbt er behutsam mit beiden Händen sein Zappetto haltend. Neben der kleine Hacke führt er auch ein Schweizer Sackmesser mit sich. Das ideale Werkzeug für Trüffeljäger. Lady hat ein rostrotes Klümpchen gefunden. «Auch ein Trüffel», sagt Gianni, gut fürs Training aber nicht für die Pasta.
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Ob hier ein Trüffel liegt?

Wir verlassen den Wald, und langsam klumpt die nasse, sandige Erde an den Schuhen. «Dov’è? Guardate un po’ bene. Cosa c’è lì?», fragt er, und schon scharren sie wieder enthusiastisch. Dann sitzt Lady und guckt mit schrägem Köpfchen. «Da bettet sich ein weisser Alba-Trüffel, verschlungen, zwischen zwei Wurzelsträngen», sagt er, und die Erde riecht derart intensiv, man wähnt sich bereits in den Träumen eines Gourmands. Nach einer archäologisch korrekten, rund 30-minütigen Bergungsaktion liegt er vor uns, wie Gott ihn erschuf. Ein riesiger, weisser Alba-Trüffel, 240 Gramm, umgerechnet 1000 Euro. «Der ist schon verkauft, bevor er bei mir zu Hause ankommt», sagt er. Ein echter PR-Trüffel. Perfekt als Schaustück für Restaurants, deswegen seien grosse Exemplare auch teurer als kleinere, aber kleinere verkaufen sich besser. Wer ein solches Exemplar herzeigen könne, ernte jedenfalls viele Blicke, «weil die Gäste ihn fotografieren und auf den sozialen Medien herumzeigen, was wiederum andere Gäste anlockt», sagt er, und er sagt es mit einer zufriedenen und stolzen Miene, weil seine Hundchen eben die wahren Meisterfinderinnen sind. «Klar kommt man in eine Art von Wahn, denn so ein Fund ist nichts Alltägliches», sagt er und fragt sogleich, ob wir nicht bleiben wollen: «Ihr könntet mir morgen nochmals Glück bringen.»
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Gianni Monchieros Trüffelhunde finden auch mal stattliche Exemplare: weisse Alba-Trüffel, 240 Gramm.

Trüffel-Facts

2019 lag der Preis der Trüffel bei rund 350 Euro pro 100 Gramm. Ein hervorragend ausgebildeter Trüffelhund, der etwa fünf Jahre alt ist, kann bis zu 20 000 Euro kosten, einen trainierten Welpen (fünf Monate) bekommt man ab 1000 Euro. In Alba wird jedes Jahr der grösste Trüffel zu einem wohltätigen Zweck versteigert. Am 10. November 2019 ersteigerte ein anonymer Bieter aus Hongkong ein Prachtsexemplar von einem Kilo für 120 000 Euro. Der Trüffelmarkt in Alba findet 2020 zum 90. Mal statt, und zwar von Ende Oktober bis Ende November. Wer mit seinem Hund gerne die Universität von Gianni Monchiero besuchen oder selbst auf Trüffeljagd gehen möchte, hier seine Adresse:


UNIVERSITÀ DEI CANI
DA TARTUFO
Via Carlo Alberto 13,
Roddi
+39 0173 615156
universitadeicanidatartufo.it