Und die Schweiz liegt doch am Meer! So frisch ist der Fisch im Ristorante Bianchi, da hört man glatt die Wellen rauschen.
Wir sind also morgens um zehn Uhr vor Ort. Pünktlich erscheint ein Mitarbeiter der Firma Bianchi mit einer Transportkarre am Hintereingang des Lokals am Zürcher Limmatquai. Paulo Alexandre öffnet die Isoboxen, und aus einem Berg Eis starrt uns ein ganzer Seeteufel an: schuppenloser Körper, riesiges Maul, bedrohliche Zähne. «Die meisten Fische erhalten wir im Ganzen», sagt der Chef, während er die lateinischen Namen auf dem Lieferschein abhakt. Da kann auch schon mal ein Oktopus dabei sein, Hummer sowieso und im Winter ganze Netze voller Austern.
Das Ristorante Bianchi ist in der Schweiz wohl einzigartig. Gegründet wurde es 2008 als Gemeinschaftswerk der Familien Bindella und Bianchi. Letztere führte am Limmatquai über hundert Jahre ein eigenes Ladengeschäft und beliefert heute als Fisch und Meeresfrüchtespezialist die gehobene Gastronomie. Sieben Tage pro Woche, selbst am Sonntag, trifft bei Bianchi frischer Fisch aus der ganzen Welt ein – das muss man als Land ohne Meerzugang erst mal schaffen. Woran erkennt man frische Ware? Paulo Alexandre zeigt es an einem Wolfsbarsch. «Sehen Sie das? Die Augen sind ganz klar und die Kiemen rosa.» Der Mann kennt sich aus. Als geborener Portugiese stammt er aus einer Familie von Hobbyfischern. Alte Videos auf seinem Handy zeigen eine gutgelaunte Horde von Verwandten in Angelmontur rund um ein riesiges Barbecue, auf dem Sardinen & Co. brutzeln. So hat er denn auch ganz genaue Vorstellungen, wie man mit Fisch umgeht – und wie nicht. «Klassischerweise würde man dem Seeteufel zur Dekoration eine Zitrone ins Maul stecken. Grauenhaft: Eine Zitrone wächst doch nicht im Meer!» Höchstens Algen kommen ihm in die grosse Vitrine im Gastraum, in welche er ausgewählte Fische nun bettet. Oder Muschelschalen, die er extra in seiner Heimat am Strand gesammelt hat.
In der Küche geht’s derweil zur Sache. Aus Hummerkarkassen wird Hummercrèmesuppe, Fischköpfe wandern in den Fond für die Bouillabaisse. Das Bianchi ist übrigens kategorisch: Fleisch steht hier keines auf der Karte. Die Klassiker des Lokals sind Wolfsbarsch, Dorade und Steinbutt, grilliert oder in Salzkruste – ganz italienisch zum Teilen. Je nach Personenzahl wählt Paulo Alexandre das Kaliber aus. Tranchiert wird der Fisch direkt am Tisch. Der Renner dazu: die hauseigene Senfsauce. Die liebt übrigens auch Rudi Bindella jr.