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Unsere Ristoranti verwöhnen Sie auch diesen Winter wieder mit Trüffelgerichten. Greifen Sie zu, so lange es sie zu greifen gibt. Denn besonders die weissen Alba-Trüffel sind ein rares Gut – das in Zukunft möglicherweise noch einiges schwerer zu haben ist, als jetzt schon …


Spätestens der Startschuss zum Trüffelmarkt in Alba markierte am 7. Oktober den Beginn jener Wochen, in denen sich die Feinschmeckerwelt schwindlig dreht um die intensiv pilzig, in manchen Fällen auch nach Honig-, Heu-, Gewürz- oder Knoblauchanleihen duftende Knolle. Seit Mitte September streifen trüffelsuchende Goldgräber der Gastronomie samt feiner Hunde- oder Schweinenase an der Leine durch die Wälder des Périgord, der Toskana, vor allem aber des Piemonts.

Den begehrten weissen Alba-Trüffel «Tuber Magnatum Pico», dessen Aroma etwa kombiniert mit Eiern oder auch Piemonteser Barolo-Rotweinen besonders zur Geltung kommt, servieren derzeit die Cantinetta Antinori und das Ristorante Amalfi in Zürich sowie das Berner Ristorante Verdi. Hier können Sie sich nach Lust und Laune durch die Trüffelkarte probieren.

Dem schwarzen Herbsttrüffel «Tuber Uncinatum», der bei Kennern wegen seiner nussigen Note sehr geschätzt wird, widmen in Zürich das Ristorante Vallocaia im Niederdorf und das Ristorante Zafferano am Limmatquai unwiderstehliche Gerichte, wie die delikaten, hausgemachten Tagliolini mit Trüffelsauce.

Von Marilyn Monroe über Napoleon bis weit in die Antike – der unterirdisch wachsende Edelpilz erfreute sich schon früh überirdischer Beliebtheit bis in profilierteste Kreise. Je länger je mehr empfiehlt es sich für Trüffel-Aficionados, die herbstliche Schlemmerei besonders auszukosten. Denn mehrere Faktoren könnten bedingen, dass die seltenen Gewächse mehr und mehr von unseren Tafeln, Tellern oder Töpfen verschwinden. Bereits einmal waren sie praktisch weg von der kulinarischen Landkarte. Im Mittelalter war es, verbannt von der Enthaltsamkeit predigenden Kirche. Zuvor hatten Griechen und Römer das «Sündengewächs» als Aphrodisiakum gepriesen und sogar ärztlich verabreicht. Die Renaissance im 16. Jahrhundert rehabilitierte das hässliche Entlein der Gourmetküche wieder, gewisse Adelsleute sollen damals gar eine Abhängigkeit nach den optisch eher unattraktiven Trüffeln entwickelt haben.

Existenzkampf gegen die Erderwärmung

Dass Trüffel-Fans zunehmend kollektiver Zwangsentzug droht, liegt einerseits an der Erwärmung des Klimas. Der Pilz wächst im Wurzelwerk auserwählter Bäume wie Eichen. Mit seinem Wirt betreibt er eine Art Tauschhandel, spendet ihm Salz und Mineralien, labt sich dafür am Zucker der Wurzel. Lange kursierte übrigens der (Aber-)Glaube, Trüffel entstünden, wenn Blitze neben Bäumen einschlagen. Humbug! Wahr ist hingegen, dass der Trüffel eine äusserst wählerische Diva ist, die penible Ansprüche stellt an Temperatur, Feuchtigkeit, Sonneneinstrahlung … Von allem weder zu viel noch zu wenig, bitteschön. Je länger der Sommer anhält, desto kürzer grundsätzlich die Saison, da der Trüffel Kühle benötigt, um zu Top-Qualität heranzureifen. Heisse, trockene Sommer bedeuten überdies verstärkten Wurmbefall plus Stress für die Bäume, die durch Trockenheit anfälliger werden für Schädlinge wie den Borkenkäfer.
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Analog wie eh und wie: Die Trüffelsuche ist und bleibt ein anachronistisches Metier.

Aber bitte recht natürlich
Weiter spielt die zunehmende Kultivierung des Bodens durch Landwirtschaftsbetriebe dem Trüffel übel mit  – vorweg jene, die synthetische Mittel einsetzen. Das pilzige Hochsensibelchen reagiert nämlich sehr pikiert auf Fungizide: Als nach dem Zweiten Weltkrieg Kunstdünger und Chemie im Ackerbau aufkamen, gingen die Ernten um bis zu 80 Prozent zurück, die Preise dafür durch die Decke. Zudem lässt jede Waldrodung – ob nun für Agrarflächen oder Wohnraum – den Trüffelbestand weiter sinken. Verschwinden Bäume, verschwindet der Edelpilz mit ihnen.

Abhilfe schaffen könnte der Anbau. Theoretisch. Als vor rund 50 Jahren die Trüffel-Erntemenge eine Talsohle erreichte, entwickelten französische sowie italienische Forscher eine Methode, schwarze Exemplare mithilfe geimpfter Wirtsbäume zu züchten. Die geschmacklichen Resultate fielen eher verhalten aus, während der so wohlschmeckende weisse Piemonteser der Natur die Stange hält. Will heissen, er wehrt sich standhaft gegen die Kultivierung durch den Menschen, bleibt eine Wundertüte hinsichtlich seiner Verbreitung, Entwicklung …

Schliesslich spielt ein wirtschaftlicher Faktor mit: Im 17. Jahrhundert noch Hobby des Hochadels, bedeutet Trüffeljagd im neuen Millennium mühsames, mal mehr mal weniger brotloses Handwerk, an dem Industrialisierung wie Digitalisierung spurlos vorübergezogen sind. Pro Tag scharren die in einem Pflichtkurs für 250 Euro lizenzierten Profis über den Daumen gepeilt 70 Gramm weisses oder 200 Gramm schwarzes Gold aus dem Erdreich. Dem gegenüber stehen Kosten für Ausbildung, Futter und Arztrechnungen für den vierbeinigen Gehilfen (ein fünfjähriger, geschulter Hund kostet an die 20 000 Euro), ohne den es schlicht nicht geht – zwölf Monate lang freilich. Während die zwölf in Italien vorkommenden geniessbaren Trüffelsorten längstens bis im Januar geborgen werden. Fundorte sind behutsam gehütete Geheimisse, die Einnahmen schwer vorauszusehen, weil die Preise genauso stark schwanken wie die Erträge, sowohl übers Jahr als auch von Saison zu Saison. Nach dem niederschlagsarmen Sommer 2017 stieg der Kilopreis für Albatrüffel bis auf 8000 Franken. Unsere Ristoranti beziehen den Löwenanteil der begehrten Ingredienz über einen Zwischenhändler in der Schweiz, einen kleineren Teil direkt von Pflückern, die ihre Beute nördlich der Alpen feilbieten. Als Supplement erhalten Sie Trüffel aktuell zu einem Richtpreis von 10 Franken pro Gramm.

Was für eine Schweinerei!

Übrigens, zu den vermeintlichen Übeltätern des Trüffelschwunds gehörte auch das Wildschwein, das ähnlich wild ist auf die Delikatesse wie der Mensch. Biologen haben den Waldbewohner jedoch von aller Schuld freigesprochen. Da er die Samen unverdaut ausscheidet, trägt er sogar zur Verbreitung bei. Paradox eigentlich, dass sich ausgerechnet der Hauptverdächtige als Retter des Trüffels entpuppen könnte …
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Reiche Beute: Frisch gefundener Trüffel ist nicht nur diesen Herbst begehrte Ware.