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Ja, die Marke Bindella verspricht mediterrane Küche und italienischen Wein. Aber nicht nur: Die seit 100 Jahren bestehende Gipser- und Malerabteilung erledigt Handwerk mit Herz und Seele. Oft an Brennpunkten des öffentlichen Lebens.

Mitten in Zürich war in der Nacht auf den 25. August 2018 sprichwörtlich Feuer im Dach: Ein Brand wütete am Bahnhofplatz 1, Flammen erhellten den Himmel bis in die Agglomeration, der Qualm biss in Augen und Nase. Bald drei Jahre später riecht das fünfte Obergeschoss nach frischer Farbe, wir bücken uns unter einem Gerüst hindurch. Böden, Wände, Decke, alles jungfräulich weiss, nur hie und da ein Feuerlöscher als roter Klecks.

Treue Gipserseele

Ein Elektriker räumt gerade das Feld. «Ciao!», ruft ihm Salvatore Melileo hinterher, unter dessen Baseballkappe graumelierte Locken hervorzwirbeln. Auf Brust und Rücken des weissen Poloshirts trägt er den Bindella-Schriftzug. Trockenbau, das sei sein Ding. Kein Lehrabschluss, aber jahrzehntelange Erfahrung. Längst agiert er als Vorarbeiter, beim Projekt am Bahnhofplatz trug er zuweilen die Verantwortung über zehn Angestellte. Seit 1984, da war er 24, gipst Melileo für Bindella, zwischenzeitlich als Selbständiger. Treu geblieben ist er, weil er die Werte der «Famiglia» schätzt und selbst hochhält. Natürlich, die Kommunikation stelle in seiner Position eine Herausforderung dar, wenn im Magazin der eine Portugiesisch, der andere fast nur Kosovo-Albanisch verstehe. Der 62-Jährige selbst stammt aus Apulien («Salento», präzisiert er). Doch trotz gelegentlicher Missverständnisse: Alle lachen – und leiden manchmal auch – gemeinsam. Zudem schätzt er die Zuverlässigkeit, dass benötigtes Werkzeug parat ist, dass bestelltes Material pünktlich ankommt. Und die Wertschätzung, welche sein oberster Chef auf regelmässigen Rundgängen auf den Baustellen ausdrückt.
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Saubere Arbeit: Salvatore Melielo im Dachstock am Zürcher Bahnhofplatz

Handwerk mit Geschichte

Der Name Bindella, er weckt für die meisten erst einmal Assoziationen zu Wein und Essen. Die Handwerksbetriebe haben jedoch ebenso Tradition: 1947 übernimmt Rudolf Bindella (1905 – 1982) das Gipsergeschäft seines Onkels und etabliert es als drittes Standbein der Familienunternehmung neben Gastro und Weinhandel. Der heutige Patron Rudi Bindella erweitert es mit einer Malerabteilung zu den heutigen Handwerksbetrieben, deren Aufträge von Kinderzimmern bis zur Grossbaustelle reichen. Caspar Hirzel, Vorsitzender der Geschäftsleitung, managt mit seinem Team Organisation und Administration. Ihre Reputation führt die 52 Gipser und 18 Maler und Malerinnen immer wieder an prominente Lagen. Wie eben an den Bahnhofplatz oder in Zunfthäuser am nahen Limmatquai. Oder nach Meilen. Seestrasse 642, vor rund 150 Jahren Wohnhaus des Dichters C. F. Meyer. Ein barockes Anwesen in einem Park, der auch dem Windsor Castle stehen würde. Am Hauptgebäude setzt Laura Mancuso den Pinsel an. Die Malerin im zweiten Lehrjahr trägt Ornamente an der fertig gestrichenen Fassade des Seehofs auf. Bevor sie sich bei Bindella beworben hatte, habe sie keine Ahnung gehabt von der Handwerksabteilung. Integriert war die junge Zürcherin jedoch schnell. «Mir gefällt der respektvolle Umgang mit den Jungs», begründet sie. Obwohl sie als Frau auf dem Bau in der Minderheit sei, habe sie noch nie einen pseudolustigen Spruch zu hören bekommen. «Aber», stellt sie klar, «mich verhätschelt auch niemand – zum Glück!» Ihr Lieblingsprojekt im ersten Lehrjahr sei ein Neubau in Benglen gewesen, wo sie von A bis Z vor Ort war und das Resultat ihrer Arbeit täglich vor Augen hatte.
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Laura Mancuso und ihre Kollegen malen immer wieder an prestigeträchtigen Stätten – wie hier in Meilen.

Ein Arrividerci im Terrasse?

In Zürich derweil zeigt Salvatore Melileo seinen derzeitigen Stolz, nämlich die gerundete Kuppel des Eckturms. Durch die Dachfenster am Bahnhofplatz heizt die späte Nachmittagssonne, unten klingelt ein Tram. Über die Jahre arbeitete Melileo immer wieder auch in Bindella-Restaurants. In bester Erinnerung: der Umbau des Terrasse 1997. Er senkt die Stimme, als er schmunzelt: «Weisst du denn, was es davor war? Ein Striptease-Lokal!» Heute sei es seine liebste unter den Bindella-Gaststätten. Gut möglich also, dass er hier kommendes Jahr auf seine wohlverdiente Pension anstösst. Wahrscheinlich mit apulischem Wein.